Die Geschichte von Michi und den Affen

Es ist der 3. Oktober 2015, als ich mittags um 11:50 Uhr in Phalaborwa lande – mitten im Nirgendwo. Mein Koffer wird mir noch auf der Landebahn gegeben und als ich durch die Tür nach draußen vor den Flughafen trete, hält ein junger Mann mit ausdrucksloser Miene ein Schild mit meinem Namen in seiner linken Hand. Ich gehe auf ihn zu, stelle mich vor und mit weniger als zwei Sätzen erklärt er mir den weiteren Ablauf. Mir war das so damals sehr Recht, dass mich keine Quasselstrippe vom Flughafen abholte, denn meine Laune war trotz Sonnenschein, Löwen und Afrika auf dem Tiefpunkt. Ich war in einem Höllenprojekt gelandet, hatte 100 Tode ausgestanden und wurde zum krönenden Abschluss kurz vor meinem Flug nach Phalaborwa auch noch beklaut. Meine ersten beiden Wochen in Afrika ließen sich mit einem Wort treffend zusammenfassen: Katastrophe.

Und es sollte noch schlimmer werden. In dem Primaten-Center angekommen, wurde ich umher geführt und bekam den Arbeitsablauf und unsere Unterkünfte gezeigt. Anders als meine Organisation versprochen hatte, entsprachen die Zimmer nicht einem mittelklassigen 3-Sterne-Standard, sondern wären auch in der Landeskategorie vermutlich weit unter Null gewesen. Denn abgesehen von einem Holzbett in einem riesigen Raum, den ich mir mit sieben anderen Frauen teilte, war da nichts. Geduscht wurde draußen. Ein Waschbecken für alle und Toiletten mitten im Wald.  

Nachdem ich meine Unterkunft kennengelernt hatte, ging es zu den Tieren ins Gehege. Auch wenn die kleinen Äffchen sehr süß waren, wurde ich nicht ganz warm mit ihnen. Zwar kuschelte sich eine kleine Meerkatze immer wieder in meinen Schoß – und ich fand das Ganze auch ziemlich niedlich – aber meine Gedanken kreisten immer wieder, um meine Ängste und all die Enttäuschungen , obwohl ich doch einfach nur das Abenteuer meines Lebens erleben wollte! Unterbrochen wurde der Gedankenstrudel erst, als mir die kleine Meerkatze von jetzt auf gleich ins Gesicht sprang, sich festkrallte und in mein Ohr biss. Obwohl ich nichts tat und nichts getan hatte, ließ sie nicht los und biss immer wieder. Meine Team Leiterin half mit den kleinen Beißer loszuwerden und mehr als bedient verließ ich das Gehege.

„Das alles war ein großer Fehler“, war mein einziger Gedanke, als ich an jenem Abend weinend unter der Dusche stand, ehe ich totmüde ins Bett fiel.

Glücklicherweise veränderte sich am zweiten Tag einiges. Obwohl ich mich noch immer völlig fehl am Platz fühlte, gab es eine Begegnung, die alles veränderte – die mit Barney. Barney war ein wenige Wochen alter kleiner Pavian; sehr zierlich, unterernährt und er schrie ständig. Ausgerechnet um ihn sollte ich mich kümmern, denn er schien mich zu mögen. In jenem Moment, als Barney in meine Arme sprang, sich an mir festklammerte und mich anpinkelte, war ich völlig überfordert und wollte nur weglaufen. Doch keine fünf Minuten später wurde der kleine Schreihals ganz ruhig, griff mit seinen winzigen Händen nach meinem Finger, kuschelte sich an mich und schlief noch während des Fütterns zufrieden ein. 

Ich war verliebt!

Und mit jedem Tag, den ich mit Barney verbringen durfte, wuchs dieses Gefühl, die Verbundenheit und meine Leidenschaft für Affen. Mich störte es nicht mehr, aus dem Koffer zu leben, eine Hütte mit vielen anderen zu teilen oder unter freiem Himmel zu duschen. Ganz im Gegenteil: Ich liebte es!

Und so hat alles angefangen, vor fünf Jahren in Afrika.